Dr. Christian Schmid wurde 1947 in Rocourt/Schweiz geboren und lebte, als das Symposium stattfand, in Riehen bei Basel.
Christian Schmid-Cadalbert
Leben und Werk
Er war von Beruf Chemielaborant, studierte Germanistik- und Anglistik in Basel und New York, arbeitete dann neun Jahre als Assistent an der Uni Basel und wurde Redaktor bei Radio DRS Basel. Er war Mitarbeiter am Sprachatlas der deutschen Schweiz und zusammen mit Barbara Traber Herausgeber der Mundartanthologie "gredt u gschribe" (Sauerländer, 1987), Lyrikbände "Affenhaus" (on the road, 1986) und "Öppis säge" (Zytglogge, 1988). Der Band "Deheimen u frömd" (Verlag ED, 1992) enthält erzählende Essays von ihm. (Daten der Biografie aus dem Zeitstand des Symposiums und aus dem Internet) Christian Schmid-Cadalbert zum Symposium: Das idiotische Lächeln Eine Woche Muße in der Bosener Mühle. Was für ein Angebot, ja, was für ein Geschenk! Töricht wäre, wer es ausschlüge, zumal auch die Eitelkeit nicht zu kurz kommen will; denn wer beschenkt wird, ist Auserwählter, ihn trifft das Lächeln besonderer Gunst. Auch die Neugierde meldet sich, denn schließlich ist das Saarland ein weißer Fleck auf der persönlichen Landkarte, eine Insel, die ich auf deutscher oder französischer Seite umfuhr. Doch kaum war ich angekommen, hatte auf regennassem Land, fröstelnd, etwas Fuß gefaßt, und dann in den warmen Strahlen der Frühlingssonne, wie eine Katze schnurrend fast, mich zurückgelehnt, begann ich die tückische Seite auch dieses Geschenks zu spüren, zaghaft zuerst, ober dann immer deutlicher. Ich war da, ober wo war ich? Seltsam, auf fremdem Boden begann ich nicht sogleich Löcher ins Fremde zu reißen, sondern ich suchte mich. Ich suchte jenes Ich, das, wenn es sich beobachtet oder gesucht fühlt, stets idiotisch lächelt, ober dennoch verzagt und verbissen zugleich das Haus der täglichen Pflichten hütet und, wenn ich es herausbitte, behauptet, es habe den Schlüssel verloren. Meistens lasse ich mich gar nicht richtig auf dieses Spiel ein, denn mir fehlt die Zeit dazu. Doch nun sitze ich da und habe sie, die Zeit, landratsamtlich beglaubigt und von freundlichen Menschen immer wieder aufs liebenswürdigste anempfohlen. Noch retten mich in den ersten Tagen gemeinsame Rundfunkfrühstücke und Ausflüge, aber gegen das großzügige Zeitgeschenk vermögen sie schließlich nichts mehr. Ich habe mit mir allein zu sein! Wie soll ich ein Spiel spielen, auf das ich mich nie richtig eingelassen habe und dessen Regeln ich, sollte ich sie einmal gewußt haben, offensichtlich vergessen habe? Ich mußte lernen. Bald merkte ich, daß jede direkte Zuwendung zu meinem Ich dasselbe Ergebnis zeitigte: das idiotische Lächeln und die Mär vom verlorenen Schlüssel. Einmal verlegte ich mich aufs Bitten, heimste dafür aber nur leicht säuerliche Weinerlichkeit ein. Aber da war ja noch das Fremde, das ich eingeladen war zu betrachten - eingehend zu betrachten. Ich war gewohnt zu lesen, zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen '- alles gleichzeitig wollte mir nie so recht gelingen, denn mir fehlte die Zeit dazu. Doch nun hatte ich sie ja, die Zeit. Ich begann also in die Dinge, denen ich mich stellen wollte, einzugehen, indem ich die Sinne zu bündeln suchte. Erst hielt ich, zagend noch, mein Ich im Augenwinkel gefangen, den fahlen Schatten eines idiotischen Lächelns. Aber einmal geschah' s dann doch, daß ich mich verlor und einging ins Vorgestellte. Es war, als täte sich eine Türe auf, und ich träte aus mir heraus auf tausend Wege, die auf rätselhafte Weise doch wieder zu mir selber führten Als ich mich wieder fand, hatte die Fremde, die mich umgab, ein Loch, und als ich mich mir zuwandte, schien mir das Lächeln um eine Spur weniger idiotisch. Wie ich ins Verlieren finde~ Über die Sprache, die Zunge, den Mund, die Zähne, Laute, Wörter, Sätze. Andere mögen mit Augen und Händen schneller sein, ich gönn's ihnen gern, so lange sie mir meine Sprache lassen. Geschenke haben, wie gesagt, ihre Tücken; Beschenkte wissen sich auch dafür zu bedanken. Geschenkt wurde mir Muße zur Entdeckung des St. Wendeler Landes. Ich habe viel davon gesehen und einiges sogar gefunden. Doch wo ich etwas aus der Fremde ins Vertraute zog, fand ich immer auch gleich mich. Ob das landratsamtlich vorgesehen war?Beiträge zum Symposium
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Uf em Perron *(Badische Baanhoof Basu, 16.4.1994)
Chätschgumivoumöönd meischtens schwarz vom Waarte uf roote Chnocheschteine u Zigaretteschtümpe wo d Närvöösi furtgheit vor em Gaa vertrückt vertschaupet i de Schpäut. Fiischter treit jedes Gsicht si Reis de lääre Schine naa bis zwüsche Zäng u Lippe Wort ufgöö mit Häng u Füess wiu me dr Zuug gseet choo win e Bewiis für öppis wo men e chli z viiu het gseit. Bevoor dr Zuug rächt schteit bin i scho furt. Er nimmt no was z St. Wendel i mim Chopf ke Platz het ghaa. *Zu den Texten gibt es hochdeutsche Fassungen des Autors -
Dr Fuess
We d Pure uf em Bode schtienge wi dr Fuess vom Ysohemi Hashimoto müesstisch se nid ga sueche hinger Gschichte vo Keute, Römer, Franke. We d Pure uf em Bode schtienge wi dr Fuess vom Ysohemi Hashimoto hätte viiu Dörfer non e Seeu wo d Turischte nid trouti druff desumeztschaupe. -
Läse (im Judefridhoof bi Södern)
Vo Gschtrüpp u Flächteschrift uf Schteine wo vor Euti nüt me säge zu de Näme Sender, Kahn u Baum. Vo "deportiert" u "Birkenau" bis zu de Schpäut dür d Näme u de Graabschteibitze uf dr Muur. Läse läse läse mit em Früelig zringsetum u mit de Leerche wo nid wei höre singe i den Oore z Muu zue d Häng i de Hoseseck. -
Der Bahnsteig
Kaugummivollmonde meistens schwarz vom Warten auf roten Knochensteinen und Zigarettenkippen welche die Nervosität fortwirlt vor dem Gehen zerdrückt zertrampelt in den Spalten. Finster trägt jedes Gesicht seine Reise den Schienen nach bis zwischen Zähnen und Lippen Worte aufgehen mit Händen und Füßen weil man den Zug kommen sieht wie den Beweis für etwas das man ein bißchen zu viel gesagt hat Bevor der Zug recht steht bin ich schon fort Er nimmt noch was in St Wendel in meinem Kopf keinen Platz fand. -
Der Fuß
Wenn die Bauern auf dem Boden stehen würden wie der Fuß von Ysohemi Hashimoto müßtest du sie nicht suchen gehen hinter Geschichten von Kelten, Römern, Franken. Wenn die Bauern auf dem Boden stehen würden wie der Fuß von Ysohemi Hashimoto hätten viele Dörfer noch eine Seele auf der die Touristen nicht herumzutrampeln wagten. -
Lesen
Von Gestrüpp und Flechtenschrift auf Steinen die vor Alter nichts mehr sagen zu den Namen Sender, Kahn und Baum. Von "deportiert" und "Birkenau" bis zu den Spalten durch die Namen und den Grabsteinstöcken auf der Mauer Lesen lesen lesen mit dem Frühling rundherum und mit den Lerchen die nicht zu singen aufhören wollen in den Ohren den Mund geschlossen die Hände in den Hosensäcken. -
Das idiotische Lächeln
Eine Woche Muße in der Bosener Mühle. Was für ein Angebot, ja, was für ein Geschenk! Töricht wäre, wer es ausschlüge, zumal auch die Eitelkeit nicht zu kurz kommen will; denn wer beschenkt wird, ist Auserwählter, ihn trifft das Lächeln besonderer Gunst. Auch die Neugierde meldet sich, denn schließlich ist das Saarland ein weißer Fleck auf der persönlichen Landkarte, eine Insel, die ich auf deutscher oder französischer Seite umfuhr. Doch kaum war ich angekommen, hatte auf regennassem Land, fröstelnd, etwas Fuß gefaßt, und dann in den warmen Strahlen der Frühlingssonne, wie eine Katze schnurrend fast, mich zurückgelehnt, begann ich die tückische Seite auch dieses Geschenks zu spüren, zaghaft zuerst, ober dann immer deutlicher. Ich war da, ober wo war ich? Seltsam, auf fremdem Boden begann ich nicht sogleich Löcher ins Fremde zu reißen, sondern ich suchte mich. Ich suchte jenes Ich, das, wenn es sich beobachtet oder gesucht fühlt, stets idiotisch lächelt, ober dennoch verzagt und verbissen zugleich das Haus der täglichen Pflichten hütet und, wenn ich es herausbitte, behauptet, es habe den Schlüssel verloren. Meistens lasse ich mich gar nicht richtig auf dieses Spiel ein, denn mir fehlt die Zeit dazu. Doch nun sitze ich da und habe sie, die Zeit, landratsamtlich beglaubigt und von freundlichen Menschen immer wieder aufs liebenswürdigste anempfohlen. Noch retten mich in den ersten Tagen gemeinsame Rundfunkfrühstücke und Ausflüge, aber gegen das großzügige Zeitgeschenk vermögen sie schließlich nichts mehr. Ich habe mit mir allein zu sein! Wie soll ich ein Spiel spielen, auf das ich mich nie richtig eingelassen habe und dessen Regeln ich, sollte ich sie einmal gewußt haben, offensichtlich vergessen habe? Ich mußte lernen. Bald merkte ich, daß jede direkte Zuwendung zu meinem Ich dasselbe Ergebnis zeitigte: das idiotische Lächeln und die Mär vom verlorenen Schlüssel. Einmal verlegte ich mich aufs Bitten, heimste dafür aber nur leicht säuerliche Weinerlichkeit ein. Aber da war ja noch das Fremde, das ich eingeladen war zu betrachten - eingehend zu betrachten. Ich war gewohnt zu lesen, zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen '- alles gleichzeitig wollte mir nie so recht gelingen, denn mir fehlte die Zeit dazu. Doch nun hatte ich sie ja, die Zeit. Ich begann also in die Dinge, denen ich mich stellen wollte, einzugehen, indem ich die Sinne zu bündeln suchte. Erst hielt ich, zagend noch, mein Ich im Augenwinkel gefangen, den fahlen Schatten eines idiotischen Lächelns. Aber einmal geschah' s dann doch, daß ich mich verlor und einging ins Vorgestellte. Es war, als täte sich eine Türe auf, und ich träte aus mir heraus auf tausend Wege, die auf rätselhafte Weise doch wieder zu mir selber führten. Als ich mich wieder fand, hatte die Fremde, die mich umgab, ein Loch, und als ich mich mir zuwandte, schien mir das Lächeln um eine Spur weniger idiotisch. Wie ich ins Verlieren finde~ Über die Sprache, die Zunge, den Mund, die Zähne, Laute, Wörter, Sätze. Andere mögen mit Augen und Händen schneller sein, ich gönn's ihnen gern, so lange sie mir meine Sprache lassen. Geschenke haben, wie gesagt, ihre Tücken; Beschenkte wissen sich auch dafür zu bedanken. Geschenkt wurde mir Muße zur Entdeckung des St. Wendeler Landes. Ich habe viel davon gesehen und einiges sogar gefunden. Doch wo ich etwas aus der Fremde ins Vertraute zog, fand ich immer auch gleich mich. Ob das landratsamtlich vorgesehen war? -
Im Räge
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St. Mauritius von Tholey