Sie wurde 1948 in Stams (Österreich) geboren und lebt heute in Imst. Beruflich war sie in der Erwachsenenbildung tätig.
Annemarie Regensburger
Leben und Werk
Mit ihrer offenen sozialkritischen Literaturpräsenz in Dialekt und in Standartsprache ist sie weit über Tirol hinaus anerkannt. Ihre Texte handeln von Ausgrenzung, sind vielfach sozialkritisch und meditativ. Seit 2004 ist sie Kulturbeirätin des Landes Tirol. Erinnerungen an das Symposium: Sie schreibt. „Es war das schönste Symposium meiner literarischen Zeit. Die Begleitung von Harry Hauch und Susanne Wachs war einmalig.“Auszeichnungen (Auswahl)
Mehrere Literaturpreise, Mitglied bei verschiedenen Autor/innenvereinigungen.Veröffentlichungen (Auswahl)
barfueß (Haymon), Durchkreuzte Wege (Tyrolia), Wellenspiel – Gioco di onde – Dialekt/Deutsch/Italienisch (Tintenfaß), Tiroler Adventkalenderbuch mit Maria Koch (M. Naumann). Lichtweg :Bilder Chryseldis Hofer-Mitterer, Texte Annemarie Regensburger (Blurb 2013) Gewachsen im Schatten Geschichte einer Befreiung (Tyrolia 2013) Ehe der letzte Schornstein fällt/Südtiroler Familien und ihr fremdes Zuhause gemeinsam mit Angelika Polak-Pollhammer (EYE Verlag der Wenigerheiten 2014) Mittlt durch giahn/30 Jahre Dialektlyrik (Haymon 2014) Der kluene Prinz /Tirolerisch(TYROLBUCH Martin Reiter 2016) Ehe der letzte Schornstein fällt/Südtiroler Familien in der Fremde gemeinsam mit Angelika Polak-Pollhammer (Athesia 2016) Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien u.a. in „Österreichische Literatur 1945 - 1998 “ von Prof. Klaus Zeyringer (Haymon). Über 500 Lesungen in Österreich, Schweiz, Deutschland, Südtirol und auf der Insel Ischia, im ORF und RAI Bozen. Mitbegründerin von wortraum plattform für oberländer autorInnen 2003 Gemeinsame Publikation der Wortraumautorinnen anlässlich des Gedenkjahres 2009 „erinnerte gegenwarten frauengeschichte(n) zwischen anpassung und widerstand“ Edition Bona Edito Herausgeberin> eppes tuet sig< (3 Wortraumautorinnen) Kyrene 2016 Kurztheater „dazwischen“ mit Maria Koch/Martina Brennecke, Tiroler Dramatikerfestival 2012 Projektmitarbeit: CD Stamser Weihnacht mit der Musikkapelle Stams 1997, Idylle und Vefall mit dem Maler Hans Seifert 2001, Übers Bergl in Imst mit dem Fotograf Ype Lymburg 2002, Text goes Textil mit der Quilterin Greti Raffeiner 2004, Heimat über Grenzen/ Imster Kunststrasse mit Quilterinnen Greti Raffeiner und Evi Kirchmair-Krismer und Fotograf Christian Raffeiner 2005, Völser Kreuzweg mit Maler Helmut Hable 2006, Berge bewegen /Imster Kunststrasse mit Maler Helmut Hable 2007. eMontion mit Helmut Hable und Christiane Spatt,Fotografin 2010 Licht und Schatten mit Helmut Hable Imster Kunststrasse 2010 Werden mit Helmut Hable Hofburg Innsbruck 2015 Seit 2012 Vizepräsidentin bei IDI – Internationales Dialektinstitut Homepage: www.annemarieregenburger.at Im Symposium verfasste Texte: Adamsmühle, Morgenkonzert, Amsl, Dialog Überall gleich, Requiem, Türkismühle lässt grüßen, Nach 70 Jahr u.a.Beiträge zum Symposium
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Adamsmühle
’s Mühlradl kracht ouh wenn die Müllerin kue Brot mieh bacht ouh wenn der Müller kue Mehl mieh mahlt ’s Rad drahnt sig weiter und ’s Wasser dejs malt a wunderschias Bild auf die Hauswand von Müller dejs Rad gruzgnt weiter bald lauter – bald stiller -
Überall gleich
Annemarie: Iatsamol han ih in a paar Weiberleit derzählt, daß ih ins Saarland auche zu an Dialektsymposium fahr. Da hat ua Weibets glei gsejt: „Da bisch decht earsch feartn gflougn und hasch miaßn mit der Rettung huemgfiahrt wearn. Was hasch denn da doubm verloarn? Da verschteaht dih ja eh niemed. Ulrike: Un minni Muetter un d’Nochberi hän dribber gschwätzt, was ich do im Saarland ibberhaupt mache dät. „Jo irgendebbis mit Gschichtli schribe“, het d’Muetter gsait un d’Nochberi het sich dodruff wirklig nit vorschtelle kinne, dass ich dodefir extra Urlaub nimm. Was do de Freund dezue sage dät? Annemarie: Ja, aso isch es alm nouh. Uane hat frisch zu mir gsejt: „Ja, ja, darbei sein isch alles.“ D’Andere nouh drau: „Lei weil dei Mann a selle gueter Latscher isch, kannsch dir dia Spinnereien leischtn. Ulrike: Zue mir sage diä älteri Herre bi de Lesunge: „Jesses, wiä liäb du des alles zämmedichte duesch!“ Un wenn i Glick hab, datsche si mer nur uff d’Schultere. Annemarie: Ja, und viel Weiberleit muenen, mir Weiberleit kennen ins eh lei in oagenen Mischt vo der Seal schreibm. Hat mih decht frisch Uene gfragt, ob mir z’Imst a Selbsthilfegruppe zun Schreibm habm. Ulrike: Awer wenn ä gschtudierter Mann zum Dialektsymposion geht, heißt’s im ganze Dorf: „Stelle Eych vor, der het niä vergesse, wu ner herkummt!“ Annemarie: Und siechsch ja insere zwoa Lehrer bei den Symposion. Kuer hat s Maul aubracht. Dia ganze Woche hab se nicht außebracht. Mir sein nit draukemen, was se eigentlig salber schreibm und noche hat Uar nouh zu mir gsejt, ih tat nimme s’Maul zuebringen. Ulrike: Wiä mer dann am letschte Dag vorem Publikum unseri Sache gläse hän, sin diä zwei Mannslitt ganz baff gsin un hän fascht blärrt, will s’ihne un de Litt so nigschlage het. No sin si beidi pletzlig blitzwach gsin. Ulrike Derndinger Annemarie Regensburger -
Morgenkonzert
Bein Auwachn zmorgeds kue Glogge kue uanziger Laut alles nouh still ua uanziger Vogl geit a Morgnkonzert der Sea lejt voar mir tauch ei(n) in mir salber darhuem -
Nach 70 Jahr
Übern Bodnsea ins Saarland in Langes eiche fahrn in Mannheim übern Lautsprecher die Anschlußzeitn auf Amsterdam und Paris hearn und froah sein dass die Anschlußzeitn in Europa viar sein -
Requiem für einen Juden
Hebräische Buchstabm in Stue gschriebm ’s Elend vo Millionen eiche gmoaßlt und decht zebersch doubm d’ Sunne augiahn lassn 70 Jahr spater ’s woache Moos dejs drüber gwachsn gspiernen unter mejr Hand -
Türkismühle lässt grüßen
Zmorgeds um 1/6 in Viarhang augrissn und dejs tiefroate Morgnroat vo die Barg voar mir. >Dejs isch mei Zeit!< Oche zun Bahnhof, eiche in Zug, aufn Sitz fallen lassn, ratata, ausse in d’ Walt. Und nache auf an Barhocker in Bahnhof vo Münchn mit an Kaffee und an Gipfele, allue, a halbe Stund Aufenthalt, in richtign Bahnsteig zun Umsteign schue in Aug. Taglang, wochenlang drau gfrebt und an Stolz han ih ouh kejt. Wer weard ouh schue a ganze Woche, fellig beir französischn Grenz doubm, zu an internationalen Dialektsymposium eingladn ? Und darzue nouh alls umesisch, sogar a klues Sackgald isch mir ouh nouh oubotn gwoarn. Und wer kann nache nouh alls, was uan dia Woche in Kopf umgangen, an interessiertn Publikum voartragn, ouh wenn kue Mensch ouh lei ua Woart versteaht? Iats fahrt der schnellschte Zug vo Deitschland ei, eisteign, Tür zue. ’S frisch augwachte Land explodiert in die schiaschtn Langesfarbm. Da hockn, a Gfühl in Bauch wia a jungs Madl, frisch verliebt untern bliahten Flieder, tirmlig voar Lust von starchn Gschmach, vo an Gfühl vo Uassein mit Gott und der Walt. D’ Acker oubaut, grad die Furchn, brau die Eard. An liabschtn tat ih sagn >Die deitsche Scholle<, wenn dejs Woart nit schue aso missbraucht gwoarn war. Auf uamol a Stich, d’ Sunne geaht nouh amol au, macht mittlt in Rapsfald drei an Purzigagl. Eiglullt vo all den siaßn Gschmach eignappm. A Ruck – Frankfurt. Mittlt in Bahnhof die groaße, weite Walt. Inderinnen mit farbige Gwandter umwicklt, junge Türkinnen mit weiße Kopftiachlen au und drüber an durchsichtign schwarzn Schal, fellig wia ’s Nale, wenn se in Festtag Kirchn gangen isch. Schwarzafrikaner mit noble Anzüg, ’d Schuech glänzn vo weitn. Da schaugt darnebm der Bayer mit sein Tscholder fellig a bißl unhilflig aus. In Regionalzug auf Saarbrücken hock ih nebm ar jungen Afrikanerin mit ihrn Biabl. Mir habm a Glachter, wer vo ihnene greaßere Blasn mit ihnen Kaugummi dermacht. Mei Blase fangt sig zun riahrn ou. Beir nagschtn Haltestell a Haisl suechn. Auf der Tür steaht >Wegen Defekt geschlossen<. Gach nouh durchn nagschtn Waggon durch, na, ouh kue Haisl. Vo Frankfurt bis Saarbrücken kue Haisl! Der Zug fahrt mit an Ruck ou, ih verlier in Halt, drahn mih wia mit Schlittschuech aufn Eis, nouh a Ruck, nouh a Drahner, oche über d’ Staffl, eiche in d’Falle. A Schroa, zommgschtaucht, durch und durch a Weah. >Aus dear Tram! < Ih wear ausezouchn, die junge Afrikanerin gibt mir a Wasser. Mir isch zun Speibm schlecht. In Türkismühle wear ih mit mein silbrign Kufer und meir fuijerroatn Literatinnentasche vo zwoa Leit aufn Bahnsteig außegstellt. Dear Kulturreferent hat drein gschaugt, wie er mih gsehchn hat! Statt ih dejs wunderschiane Kulturzentrum beir Mühl, bein Sea, kimm ih in Kranknwagn. ’S Wasser werad ohne mih beir Mühl ocherinnen, ohne mih wearn Woart entstiehn und Freindschaftn aubliahen. Ier Notaufnahme Geburtsdatum, Versicherung. >Bittschia, ih mueß aufs Haisl!< >Ja, sofort< Bluet ouzapfn, a Kanüle setzn. >Bittschia, ih mueß aufs Haisl!< > Ja, bald< Die junge Kranknschwester holt a Schüssel, stellt in Sanitäter zun Halfn ou. Da schiaßt die Oberschwester bei der Tür eiche. >Nein, eine stationsfremde Person darf nicht helfen< Sie darf kuen fremdn Hintern aulupfn, da kannt ja eppes Falsches aussekemen. Zruggsinkn auf mei Pritsche. >Bittschia, ih derhebbs nimme!< Endlig gelingts. Ih schaug auf d’ Uhr, halbesiebme. Von Wellen bis zun Kennen sein fellig drei Stund vergangen. >Das nennt man Beherrschung<, sagt in nagschtn Tag der Doktor, wie er mir ’s Röntgenbild zoagt und sejt, dass dear oubrochne Wirbl 6 Wochn zun Zommhoalen braucht. In Frust erleichtert a lachsfarbener Roasnstrauß von Landesrat und der Wunsch der Hörerinnen und Hörer auf a guete Besserung in Radio, fellig beir französichn Grenz doubm. P.S.: Heute noch, nach acht Jahren, wenn eine Wetteränderung kommt und mir der gebrochene Wirbel schmerzt, sage ich: „Türkismühle lässt grüßen!“